Haus im Schluh

Worpswede

Heinrich Vogeler 1872 - 1942

Kindheit

geb. 12. 12.1872 in Bremen (Gründerzeit, industrieller Aufschwung, Deutsches Kaiserreich). Vater Carl Eduard Vogeler, Unternehmer; Mutter Marie Luise, geb. Förster. Nachfolgende Geschwister: Franz, Eduard, Henny, Marie.

 

Jugend und erster Erfolg

Oktober 1890 Studium an der Kunst-Akademie Düsseldorf, Studienreisen, Holland, Italien. Vater stirbt 1894. Vogeler kauft mit dem Erbe ein altes Haus in Worpswede.  Daraus gestaltet er seinen Künstler- Wohnsitz „Barkenhoff“ als Gesamtkunstwerk.  Martha  Schröder aus Worpswede ist seine Braut und sein liebstes Modell. 1899 ist er Mitbegründer der Kunstzeitschrift „Die Insel“, München. (A.W. Heymel, R.A. Schröder)

Freundschaft mit Rainer Maria Rilke, Freundeskreis mit Paula Becker, Otto Modersohn, Clara Westhoff. Paula: Wir nennen uns „Die Familie“. - Zahlreiche große Gemälde, Radierungen, Buchgestaltung, Gebrauchskunst. H.V. ist ein herausragender Vertreter des Jugendstils in Norddeutschland.

 

Der etablierte Künstler

März 1901 Heirat mit Martha Schröder. - 1901, 1903 und 1905, Geburt der drei Töchter Mieke, Bettina und Mascha.

Rilke schreibt 1902 in seiner Worpswede Monografie auch über Heinrich Vogeler. Reisen. Große Aufträge ( Güldenkammer im Rathaus Bremen, 1905). Ab 1907 Hinwendung zu sozial motivierten künstlerischen  Aufgaben, er wird Mitglied der „Deutschen Gartenstadt- Gesellschaft“, Gründung einer Möbelwerkstatt mit seinem Bruder Franz Vogeler, zahlreiche Architektur, künstlerisches Konzept Kleinbahnlinie (Bremen-Bremervörde) mit Worpsweder Bahnhof 1910.

 

Lebenskrise und Neu-Orientierung

Martha wendet sich einem anderen Mann zu (Literat Ludwig Bäumer), die Familie lebt aber bis 1920 weiter gemeinsam auf dem Barkenhoff.

Der Jugendstil als Kunstform hat sich überlebt. Aufträge bleiben aus. Reisen als kleine Fluchten. Ägyptisierender, antikisierender Stil

H.V. experimentiert mit neuen Malweisen, angeregt durch Paula Becker-Modersohn, van Gogh, Monet. Portraits der drei Töchter, Marthas, Selbstportraits, Landschafts- und Gartenansichten, zahlreiche Architekturentwürfe. Verzweifelte Versuche, die Ehe zu retten. Erste expressionistische Stilelemente tauchen auf: 1914: Zeichnung und Radierung mit dem Titel „Vision“.

 

Teilnahme am 1. Weltkrieg 1914 - 18

H.Vogeler nimmt als Bericht erstattender Unteroffizier am I. Weltkrieg teil. Vorwiegend Ostfront. Gemälde und Zeichnungen aus den Kriegsgebieten. Grafikmappen „Portraitzeichnungen“ seines Offiziersstabes der 24. Reservearmee und „Aus dem Osten“. - Durch die Erfahrungen des Krieges wird er zum radikalen Pazifisten. Identifikation mit dem einfachen Volk. Ablehnung des Nationalgedankens - Januar 1918: Brief an den Kaiser „Das Märchen vom Lieben Gott“. Folge: Einweisung in eine Heilanstalt für psychisch Kranke (Bremen), Entlassung aus dem Kriegsdienst. Radierungen, Zeichnungen, „Offenbarung Johannis - Die sieben Schalen des Zorns“, „Götze Mammon“. Gemälde „Die Leiden der Frau im Kriege“, „Kriegsfurie“

 

Barkenhoff-Kommune (1918 - 1923)

1920 Trennung von Martha

1. Reise nach Moskau

Eigener, kommunistisch-urchristlich geprägter Gesellschafts-Entwurf. Seine künstlerischen Kräfte gehen in die Gestaltung, einer ideal-kommunistischen  „Insel“ im Meer des kapitalistischen Infernos: die „Arbeitsgemeinschaft Barkenhoff“. Schriften: u.a. „Expressionismus der Liebe“, „Kosmisches Werden und menschliche Erfüllung“, „Frieden“.  Gemälde:  „Geburt des neuen Menschen“.  Radierung: „Werden“. die Kommune baut Vogeler ein Refugium auf dem Barkenhoff-Gelände, das sog. „Bienenhaus“.

Martha errichtet in einem anderen Ortsteil von Worpswede das „Haus im Schluh“ und zieht mit den Töchtern dort ein. Vogelers Frühwerk und das kostbare Barkenhoff-Inventar finden hier eine neue Bleibe und bleiben so der Nachwelt erhalten.

Heinrich Vogeler bezieht seine Klause im Bienenhaus auf einem Plateau oberhalb des Barkenhoff-Teiches, er schreibt viel und geht auf Vortragsreisen. - Seine zweite Ehe bahnt sich an: Sonja Marchlewska (Tochter des polnischen Sozialisten Julian Marchlewski) weist ihm den Weg nach Moskau. 1923 dort Geburt des Sohnes Jan. Lehrauftrag an einer Moskauer Universität (KUNMS). Im Winter 23/24 malt Vogeler das erste „Komplexbild“ mit Darstellungen aus der jungen sowjetischen Gesellschaft: „Winterkommando der Arbeiterstudenten auf ein Sowjetgut“. Vogeler glaubt, in Russland  eine neue Friedens-Gesellschaft entstehen zu sehen. - Die Barkenhoff-Kommune löst sich1923 wegen ideologischer Differenzen innerhalb der Gemeinschaft auf. Die engsten Freunde, Marie und Walter Hundt, folgen den Lehren Rudolf Steiners.

 

1923 Barkenhoff wird Kinderheim der „Roten Hilfe“

Die „Internationale Roten Hilfe“.(MOPR)  wurde 1922 von Julian Marchlewski in Moskau gründet; Clara Zetkin war ein Gründungsmitglied. Heinrich Vogeler gehörte ab 1924 bis zu seinem Ausschluss aus der Partei 1929 dem Zentralkomitee der deutschen Sektion der "Roten Hilfe Deutschland" (RHD) an. 

Vogeler lebt mit Jan und Sonja vorwiegend in Berlin, auch in Worpswede, Moskau und der Schweiz (Fontana Martina). 1925 wird er Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands. Er hat keine Aufträge, leidet materielle Not. 1926 Scheidung von Martha und Heirat mit Sonja. Schon 1929 wird er wegen Mitgliedschaft in der antistalinistischen Opposition aus der KPD ausgeschlossen.

 

Mehrere Reisen in der Sowjetunion

1931 endgültiges Exil in Moskau

2. Weltkrieg

Forschungsreisen durch die verschiedenen Kulturen der Sowjet-Union. Zahlreiche „Reisebilder“ und „Reiseskizzen“ und neue Komplexbilder entstehen. Figuren und Bühnenbilder für Puppentheater, 1936 Filmausstatter für den Film von Gustav von Wangenheim „Die Kämpfer“.

1932 wird in Worpswede das Kinderheim der Roten Hilfe von der Trägergesellschaftt "Quieta Erholungsstätten GmbH"  gesclossen.  Der Barkenhoff wird daraufhin verkauft.

In Moskau wird seine Kunst von den Ideologen des Stalinismus ebenfalls abgelehnt. 1941 in Moskau dennoch eine Ausstellung seiner nach 1936 entstandenen Werke, nicht nur Vogeler bedauert das Fehlen von Werken der Frühzeit.

1941 Scheidung von Sonja. Journalistische Arbeit und Radioansprachen in deutscher Sprache im Kampf gegen Hitler. Spätsommer 1941 zwangsevakuiert nach Kasachstan in das Steppendorf Kornejewka, Gebiet Karaganda. Bei einer Bauernfamilie einquartiert. Staatsrente und Hilfen erreichen ihn dort nicht. Hunger, Kälte, Krankheit. - Als im Mai endlich Geld kommt, ist es zu spät. Am 14. Juni 1942 stirbt Heinrich Vogeler an Entkräftung in der Krankenstation des Nachbar-Kolchos „General Budjonny“. Seine Grabstelle ist unbekannt. Heute gibt es Gedenkstätten für Heinrich Vogeler in beiden Dörfern und ein Denkmal in der Stadt Karaganda.


In Worpswede wird das künstlerische Vermächtnis  von Heinrich Vogeler bewahrt und gepflegt. Der  Worpsweder Museumsverbund, aus Barkenhoff, Haus im Schluh, Große Kunstschau und Worpsweder Kunsthalle bestehend, widmete ihm im Sommer 2012 eine große Retrospektive mit dem Titel  „Heinrich Vogeler – Künstler, Träumer, Visionär“ und zu seinem 150. Geburtstag 2022 die umfassende und viel beachtete Jubiläumsausstellung "HeinrichVogeler. Der Neue Mensch".